Beruf & KarriereFeelgood-Feedback treibt Beschäftigte in die Karriere-Sackgasse

Über eine gute Feedbackkultur verfügen nur die wenigsten Unternehmen. In Deutschland berichten 35% der Beschäftigten, dass in ihrem Unternehmen nur einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch stattfindet. Für knapp ein Drittel der Arbeitnehmer:innen (32%) gibt es nicht einmal das. Monatliches oder wöchentliches Feedback ist äußerst selten. Und wenn es Feedbackgespräche gibt, erbringen sie meist nicht den gewünschten motivierenden Effekt, sondern erzeugen vor allem Unsicherheit und schlechte Laune. So wissen 30% der Beschäftigten nicht, wie sie auf Feedback reagieren sollen. 24% beziehen negative Bewertungen nicht auf ihre Arbeit, sondern nehmen sie persönlich. 21% fühlen sich unwohl, wenn sie Rückmeldung von Führungskräften erhalten, wie die Ergebnisse einer Randstad Arbeitnehmer:innenbefragung zeigen.

Keine Übung, keine konstruktive Kritik, aber dafür viele Feelgood-Gespräche

Die ausbaufähige Feedbackkultur in deutschen Unternehmen hängt stark damit zusammen, dass Betriebe selten in Trainings investieren, um Führungskräfte dahingehend zu schulen. Anders als oft gedacht, ist die Konsequenz aber nicht, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeiter:innen zu kritisch gegenüberstehen. Das Gegenteil ist zu beobachten: Vorgesetzte weichen auf Feelgood-Feedback aus. Um sich selbst und anderen ein gutes Gefühl zu geben und oft auch aus Angst vor negativer Stimmung im Team, fokussieren sie sich auf die positiven Aspekte. Sie meiden ein konstruktives, ehrliches Feedback, zu dem eben auch die Schwächen der Mitarbeitenden gehören.

Doch es gibt noch einen weiteren Grund für Feelgood-Feedback: veraltete Bewertungssysteme in Unternehmen. Diese führen dazu, dass Vorgesetzte das Feedbackgespräch als Parade für die eigene Selbstdarstellung nutzen. Durch positive Bewertungen entsteht ein Bild von einer Führungskraft mit dem perfekten Team. Diesen Einflussfaktor auf das eigene Image nutzen Führungskräfte, um weitere Stufen der Karriereleiter zu erklimmen. Der eigene Aufstieg wird wichtiger als die Förderung der Mitarbeiter:innen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Führungskraft nur so gut ist, wie ihr Team.

Feelgood-Feedback führt zur falschen Selbsteinschätzung

Für viele Führungskräfte ist es oft einfacher, auf Feelgood-Feedback zu setzen. Allerdings führen sie ihre Mitarbeiter:innen damit in eine Sackgasse. Ohne konstruktives und gutes Feedback, nehmen sie ihnen die Chance, die eigene Situation realistisch zu reflektieren und daran zu wachsen. Gleichzeitig führt das Feelgood-Feedback zu einer verfälschten Selbstwahrnehmung. Wer nur hört, wie gut er Dinge gemacht hat und dass nichts zu verbessern ist, tritt irgendwann auf der Stelle. Unter den Folgen leiden die Mitarbeiter:innen meist erst dann, wenn sie den Arbeitsplatz wechseln möchten oder müssen.

Konstruktiv Feedback geben will gelernt sein

Konstruktives Feedback bedeutet nicht, nur über negative Aspekte zu reden. Es bedeutet aber auch nicht, nur Positives anzusprechen. Das Ziel von Feedbackgesprächen ist es, Mitarbeiter:innen mit einem offenen und konstruktiven Gespräch bei der Selbstreflexion zu helfen und so eine Verbesserung der Leistung oder des Verhaltens zu erreichen. Hilfreich ist im ersten Schritt, diese Regeln zu beachten:

  • Jeder, der Feedback gibt, sollte dies klar kommunizieren. Unvermittelte Kritik wird meist nicht als solche wahrgenommen oder als Angriff auf die eigene Person interpretiert.
  • Gutes Feedback beschreibt die Leistung oder das Verhalten der Person objektiv und neutral, ohne sie zu bewerten oder zu interpretieren.
  • Konstruktive Kritik bezieht positive oder negative Sachverhalte ein. Dies erleichtert es den Mitarbeiter:innen, Verbesserungsvorschläge anzunehmen.
  • Wirklich hilfreich ist Feedback, wenn es konkret und aktuell ist. Verallgemeinerungen helfen nicht dabei, herauszufinden, welche Fähigkeiten weiter ausgebaut werden können und in welchen Bereichen es Nachholbedarf gibt.
  • Kritik sollte immer in einer gemeinsamen Lösungsfindung münden. Mitarbeiter:innen, die das Gefühl haben, dass „wir zusammen“ Hindernisse und Probleme bewältigen, sind deutlich motivierter, die Situation zu verbessern.
  • Eine grundsätzlich positive Fehlerkultur im Unternehmen hilft, kritische Punkte im Feedbackgespräch offen und ohne Angst auszusprechen und anzunehmen.

Das traditionelle Mitarbeitergespräch hat ausgedient

Die Erfahrung zeigt, dass einmalige, klassische Jahresgespräche oft nicht hilfreich sind. Es ist schwer, die Eindrücke aus einem ganzen Jahr in ein Gespräch zu packen – und z.B. die Learnings aus einem Projekt in Q1 erst im Dezember unterzubringen. Wirklich zielführendes Feedback sollte kontinuierlich und direkt erfolgen und dabei auf individuelle Leistungen und Situationen eingehen. Gerade jetzt, wenn wir uns zunehmend digital begegnen und Agilität gefordert ist, ist ein neuer Ansatz gefragt. Es braucht eine Feedbackkultur in Unternehmen, die einen offen und konstruktiven Austausch ermöglicht.
Denn gerade jene Arbeitnehmer:innen mit Potenzial geben sich nicht damit zufrieden, ihr Talent auf einer Position zu parken. Meist führt Stillstand sogar dazu, dass sie ihren Arbeitgeber verlassen. Sie wollen gefördert und gefordert werden – und neue Perspektiven wahrnehmen. Das gelingt nur, wenn Führungskräfte ihnen ihre Entwicklungsfelder aufzeigen. Konstruktives Feedback ist somit ein wichtiger Grundstein für ein gezieltes Career Development, das wiederum die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter:innen steigert und die Bindung an das Unternehmen erhöht.

Foto/Thumbnail: @Pixabay.com

Über den Autor Klaus Rupprecht

Klaus Rupprecht ist Managing Consultant bei Mühlenhoff by Randstad RiseSmart. Seit mehr als 15 Jahren begleitet er Menschen und Unternehmen bei individuellen Veränderungsprozessen. Im Vordergrund steht für ihn immer der wertschätzende und faire Umgang mit Beschäftigten. Randstad RiseSmart gehört zu den weltweit führenden Unternehmen für Career Development, Outplacement, und Redeployment. www.muehlenhoff.com

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