Softskills + Selbstmanagement

Coach Daniel Salamon zur Teilnahme am Assessment Center

Der Coach Daniel Salomon erläutert im Interview auf Karriere NOW, wie man sich auf ein Assessment Center vorbereiten kann – und zwar durch Selbstreflexion und Authentizität, das heißt innerer Klarheit. Man sollte auf keinen Fall auswendig gelernte Phrasen einfach wiederholen.

Karriere NOW: Herr Salamon, Sie sind Coach und Betreiber des Onlineportals danielsalamon.com. Zum Thema Assessment Centers: Viele Kandidaten empfinden diese als belastend oder sogar entwürdigend. Warum ist diese Wahrnehmung so verbreitet und wie lässt sich der Blick darauf verändern?

Daniel Salomon: Viele Assessment Center sind bewusst auf Stress ausgelegt: Sie erzeugen Zeitdruck und künstliche Stresssituationen. Bleiben Anforderungen, Kriterien und Bewertungsmaßstäbe unklar, schürt das Unbehagen, denn Kandidaten wissen nicht, was genau „gespielt“ wird. Manche Rollenspiele und Simulationen wirken so künstlich, dass Teilnehmende glauben sich verstellen zu müssen, um zu bestehen. Auch das belastet und raubt kognitive Kapazität. Das Ausbleiben eines differenzierten, konstruktiven Feedbacks hinterlässt ein schales Gefühl der nutzlosen Bewertung. Zudem kann das Beobachtet-Werden den Eindruck von Fremdkontrolle hervorrufen.

Ändern lässt sich dies durch wertschätzende Assessment-Center, die Teilnehmende als Partner betrachten, mit denen man gemeinsam Potenzial und Passung zur Position eruiert. In wertschätzenden Assessment Center schaffen Durchführende Transparenz, indem sie Ziele, Bewertungskriterien, Erwartungen, Ablauf und Aufgaben-Relevanz klar kommunizieren.

Das Übungsdesign der ausgewählten diagnostischen Verfahren passen sie eng an die realistischen Herausforderungen der Zielposition an. Sie üben individuelles Feedback als zentrales Mittel für Akzeptanz und machen damit Entwicklungspotenzial sichtbar, statt Schwächen zu betonen. Das Ganze gestaltet sich nicht nur für beide Seiten angenehmer, sondern führt auch eher zum Ziel. Wenn sich Kandidaten wohl und ernstgenommen fühlen, rufen sie die eigene Leistungsfähigkeit bestmöglich ab

Karriere NOW: Sie sagen: „Auf Assessment Center kann man sich vorbereiten.“ Was genau bedeutet das – und wo beginnt eine wirksame Vorbereitung?

Daniel Salomon: Was Vorbereitung nicht bedeutet –  auswendig gepaukte Phrasen dreschen, vornehmlich auf Wirkung setzen, seine Energie in die Antizipation dessen zu verschwenden, was Beurteilende hören wollen. Impression Management kreiert ein Image, das bei Nachfragen wie ein Kartenhaus zusammenbricht.  

Wirksame Vorbereitung beginnt mit Selbstreflektion und Analyse: Wer bin und was kann ich? Was sind meine Werte und wie gehe ich mit Konflikten, Druck oder Verantwortung um? Welche Stärken und welche Entwicklungsfelder erkenne ich? Dazu hilft es, Erfahrungen aktiv zu erinnern und zu strukturieren. Typische Reflexionsfragen für die Vorbereitung lauten zum Beispiel:  Wann habe ich das letzte Mal ein schwieriges Gespräch geführt und was daran war schwierig für mich? Wie habe ich in einer Krisensituation gehandelt und was würde ich heute anders machen? Wann habe ich eine Entscheidung getroffen, obwohl nicht alle Infos vorlagen?

Durch die Reflektion machen Kandidaten im AC solche Situationen bewusst abrufbar, statt auf Erdachtes zurückzugreifen. AC bewerten Verhalten, nicht Aussagen! Die aus der Pistole geschossene Antwort: „In der Projektkrise XY hielt ich trotz Gegenwind an meiner Entscheidung fest und ging folgendermaßen vor: …“ überzeugt Beurteilende – im Gegensatz zur Floskel: „Ich bin teamfähig und gleichzeitig durchsetzungsfähig.“

Die gewonnene Selbsterkenntnis erhöht Selbstsicherheit und Authentizität während des Austauschs. Wer sich kennt, bleibt bei sich, statt in Vorgetäuschtes zu fliehen. Gute Diagnostiker merken, ob eine Person von echtem Erleben berichtet oder einen vorbereiteten „Coaching-Case“ runterbetet.

Karriere NOW: Warum ist Selbstreflektion Ihrer Erfahrung nach der zentrale Hebel für ein souveränes Auftreten?

Daniel Salomon: Selbstreflexion führt zu Authentizität. Sie kristallisiert den Wesenskern einer Person und klare Haltung hinsichtlich Werte, Prinzipien und Führungsverständnis heraus. Diese innere Klarheit fördert souveränes Auftreten und sichert auch in unsicheren Momenten Handlungsfähigkeit. Zudem baut Selbstreflexion ein stabiles, inneres Koordinatensystem auf. Das begünstigt die geistige Beweglichkeit, die AC fordern, in ihnen ändern sich Dynamiken nämlich erfahrungsgemäß sehr schnell.

Karriere NOW: Sie nennen fünf Erfolgsfaktoren: Authentizität, klare Kommunikation, situatives Verhalten, Struktur und Resilienz. Können Sie kurz erläutern, wie diese Merkmale im Assessment Center wirken?

Daniel Salomon: Authentizität ist die Basis für Glaubwürdigkeit – Kandidaten, die reflektiert, aber nicht inszeniert wirken, bleiben nachhaltig positiv im Gedächtnis. Beobachtende suchen nach kohärenten Persönlichkeitsmerkmalen und Kompetenzausprägungen – das heißt Führungsfähigkeiten, die im Berufsalltag zum Tragen kommen.

Klare Kommunikation dient als Schlüssel zu Wirkung. Wer strukturiert, auf den Punkt, mit Haltung und mit Blickkontakt spricht, überzeugt. Storytelling, Körpersprache und Prägnanz unterscheiden Kandidaten mit Führungspotenzial von reinen Fachexperten.

Situatives Verhalten ist die Kunst der flexiblen Anpassung des eigenen Habitus. Egal ob in der AC-Übung oder in der täglichen Unternehmensrealität – wer stets gleich agiert, ist unflexibel. Erfolgreiche Teilnehmende passen ihr Verhalten wendig an Aufgabe, Kontext und Gegenüber an und beweisen damit soziale Intelligenz.

Struktur im Denken, Sprechen und Handeln sorgt beim Gegenüber für Orientierung. Die besten Ideen verpuffen, wenn sie schlecht verständlich und am Zuhörenden vorbei kommuniziert werden.  Struktur signalisiert mentale Klarheit und Führungsreife.

​Resilienz zeigt sich im Umgang unter Druck, mit Kritik, Rückschlägen oder Konkurrenzverhalten. Resiliente Personen integrieren Fehler als Lernmoment. AC-Durchführende nehmen Menschen, die bei kritischen Fragen lösungsorientiert bleiben, als belastbare Persönlichkeit wahr. Gerade in volatilen Zeiten sticht das als zentrales Leadership-Merkmal heraus.

Karriere NOW: Wie kann man diese Fähigkeiten gezielt trainieren, ohne in eine künstliche Rolle zu verfallen?

Daniel Salomon: Ehrliches Feedback von Vertrauenspersonen erweitert die Selbsteinschätzung um den Blick von außen. Mit Storytelling-Techniken lernen Bewerbende, ihre Botschaften in strukturierte und inspirierende Geschichten zu kleiden. Auch aktives Zuhören lässt sich trainieren: Gezielt nachfragen, Botschaften interpretieren, Empathie zeigen. Eine sehr gute Vorbereitung ist nach meiner Erfahrung die biografische Selbstreflexion, in der Interessierte prägende Lebenssituationen aus der Erinnerung analysieren. Damit identifizieren sie auf konkrete Weise die eigenen Werte und Prinzipien.

Videogestützte Rollenspiele und Präsentationstraining halte ich für exzellente Mittel, sein eigenes Verhalten in diversen Situationen zu beobachten und die Kommunikation zu verbessern. Vielen tut es gut, mit Zeitmanagement-Tools und Strukturierungsmodellen wie SWOT, BCG-Matrix oder Eisenhower zu arbeiten. Sowohl nach wissenschaftlichen als auch persönlichen Kenntnissen erhöhen Achtsamkeitsübungen (MBSR) enorm die Stressresistenz. Zusätzlich empfehle ich das Führen eines Emotional Diary: Das emotionale Tagebuch spiegelt täglich Reaktionen wider und deckt Muster auf und dient als Reflexionshilfe.

Karriere NOW: Viele Teilnehmende vergleichen sich im Assessment Center ständig mit anderen. Wie gelingt es, den Fokus stattdessen auf die eigene Entwicklung und Präsenz zu lenken?

Daniel Salomon: Teilnehmende machen sich bewusst, dass ein AC keine Einbahnstraße ist, sondern die Chance eröffnet, zukunftsweisende Kenntnisse über sich und den anvisierten Job zu gewinnen. Diese Haltung lässt sich erarbeiten. Auch ein Perspektivwechsel tut gut: Immer wieder führen sich Jobsuchende vor Augen, dass Beobachtende authentische, reflektierte und wirksame Führungspersönlichkeiten suchen. Alphatiere auf Ansage interessieren nicht. Ebenfalls sehr hilfreich ist, eigene Stärken und Ausstrahlung konkret zu benennen. Atemübungen und Meditation trainiert Präsenz im Hier und Jetzt. Achtsamkeit schlägt Außenwirkung!

Karriere NOW: Gibt es bestimmte Übungen oder Methoden, die sich in Ihrer Praxis besonders bewährt haben, um Kandidaten mental zu stärken und gezielt vorzubereiten?

Daniel Salomon: Folgende Übungen und Methoden bereiten aus meiner Sicht besonders gut vor:

Inventur persönlicher Führungsmomente (Reflexionsübung):

Ziel: Selbstwirksamkeit aktivieren. Durchführung: 5 Situationen aus der eigenen Laufbahn aufschreiben, in denen der Klient…

  • eine schwierige Entscheidung getroffen hat, ein Team erfolgreich geführt hat, einen Konflikt souverän gelöst hat, Widerstand erlebt und überwunden hat,
  • Ergebnis: Stärkung der inneren Klarheit, dadurch mehr Selbstvertrauen im AC.

3-Minuten-Mindfulness-Routine vor wichtigen Meetings

  • Ziel: Fokus bei Meetings
  • Durchführung: Kurze Meditation oder atembasierte Achtsamkeitsübung wie die 4-4-6-2-Atmung oder Box Breathing
  • Ergebnis: Reduktion von Nervosität, Stärkung der kognitiven Klarheit. Bereits drei Minuten senken Studien zufolge den Cortisolspiegel.

Realitätscheck und Perspektivwechsel:

  • Ziel: Souveränität festigen
  • Durchführung: Stell Dir vor, du wärst Beobachter: Was wäre dein Kriterium für gute Führung in dieser Situation?
  • Ergebnis: Selbstkritik und negativer Eigendialog verstummen, was Handlungsspielräume eröffnet und inneren Druck lindert.

Video-Selbstpräsentationen:

  • Ziel: Reduktion von Lampenfieber
  • Durchführung: Sich bei einer Präsentation aufnehmen und anschauen
  • Ergebnis: Klarheit über das Selbstbild, Erkennen seiner kommunikativen Gewohnheiten und seiner Präsenz.

Reframing-Übungen:

  • Ziel: Angstvermeidung und Lösungsorientierung
  • Durchführung: Positiv denken und formulieren, zum Beispiel „Was will ich heute zeigen? Mit welchen drei Attributen will ich wahrgenommen werden?“, statt „Was will ich heute unbedingt vermeiden? Was darf mir auf keinen Fall passieren?!
  • Ergebnis: Vergrößerung der mentalen Freiheit und der Großzügigkeit sich selbst gegenüber.

Karriere NOW: Herr Salamon, wie unterstützen Sie Kandidaten ganz konkret dabei, sich reflektiert und authentisch auf ein Assessment Center vorzubereiten?

Daniel Salomon: Wir starten immer mit einer ehrlichen Auseinandersetzung und suchen Antworten auf die Fragen: Wer bin ich als Führungspersönlichkeit und wie wirke ich? Was sind meine Werte, Prinzipien? Was ist mir in meiner Karriere wichtig? Was ist mein persönlicher Nordstern? Darauf fußt nicht nur ein gelingendes AC, sondern wirksame Führung per se. Nur wer sich selbst führen kann, kann auch andere führen.

In der Vorbereitung erarbeiten wir konkrete Führungsmomente, die zeigen, wie eine Person unter realem Druck denkt, fühlt, handelt, und gießen das in Geschichten. Diese Geschichten stärken auch in Change-Prozessen, Mitarbeitergesprächen und beim Skizzieren von Unternehmensvisionen die eigene Wirkung.

In puncto Kommunikation stärken wir die Konzentration und üben, klar und pointiert zu kommunizieren.

Um Führungsflexibilität und Adaptationsfähigkeit zu trainieren, spielen wir situatives Agieren in realitätsnahen Szenarien durch.

Für einen strukturierten und konzentrierten Auftritt im Assessment wenden wir Techniken zur mentalen Stabilisierung und Erhöhung der eigenen Resilienz an. Atemübungen und Meditationen gehören dazu, Reframing oder Fokusanker. Resilienz ist kein nettes Extra, sondern Voraussetzung agiler Führung! Neben guter Trainingsperformance fußt auf Resilienz die Fähigkeit, Komplexität zu ordnen und Klarheit zu schaffen – sei es vor der Townhall mit 500 Leuten, in teaminternen Krisensituationen oder beim Umgang mit großen Zielkonflikten. Damit trifft Resilienz den Kern guter Führung in Zeiten der Veränderungen.

Porträtfoto von der Journalistin Carolin Fischer

Carolin Fischer ist Gründerin des Online-Magazins Karriere NOW, selbstständige Journalistin und spezialisiert auf die Themen Karriere, Softskills, Selbstmanagement und Business. Zuvor hat die Kommunikationsexpertin bei der Süddeutschen Zeitung in München gearbeitet und für ein Politmagazin des ZDFs.

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