Moderne Arbeitswelt

Dorothee Haag: „Führungskräfte sitzen in einem Spannungsfeld zwischen Stakeholdern und Shareholdern fest“

HR-Managerin Dorothee Haag legt im Interview mit Karriere NOW dar, wie Führungskräfte sinnvoll mit Mitarbeitenden kommunizieren. Sie erklärt, dass es besonders in der mittleren Führungsebene wichtig sei, klar zu kommunizieren, da hier die Haupttätigkeit in jedem Betrieb stattfinde.

Karriere NOW: Frau Haag, Sie sind HR-Managerin und Geschäftsführerin der Consulting HAAG GmbH. Ihr Fokus liegt u.a. auf der Entwicklung der Mitarbeitenden in Unternehmen. Zum Thema Kommunikation: Viele der Führungskräfte sind überzeugt, klar zu kommunizieren – in der Praxis erleben Teams jedoch oft das Gegenteil. Warum tun sich so viele Führungskräfte schwer damit, Klartext zu sprechen?

Dorothee Haag: Die Führungskräfte sitzen in einem Spannungsfeld zwischen Stakeholdern und Shareholdern fest. Es gibt sehr viele Ansichten von unterschiedlichen Personen und da ist es nicht einfach, klar zu kommunizieren.

Karriere NOW: In welchen typischen Führungssituationen ist klare Kommunikation besonders entscheidend – und worauf sollte man dabei konkret achten?

Dorothee Haag: Es ist wichtig, gerade in der mittleren Ebene klar zu kommunizieren, da hier die meisten Abläufe und Abwicklungen stattfinden. Hier finden die eigentlichen Haupttätigkeiten in jedem Unternehmen statt. Je klarer kommuniziert wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Team die Entscheidungen mitträgt und in die Umsetzung geht.

Karriere NOW: Wie gelingt es, kritisches Feedback klar, aber wertschätzend zu formulieren, ohne dass sich Mitarbeitende angegriffen fühlen?

Dorothee Haag: Eine gute Feedbackkultur, die kritische Punkte enthält, sollte gut vorbereitet sein. Heißt: Mit Fragen und Antworten den Feedbackgeber einbinden und ihn oder sie nach Möglichkeit selbst dahin führen, eine gemeinsame Lösung auszuarbeiten, mit der beide Seiten leben können.

Nur dann fühlt sich der Mitarbeitende wertgeschätzt und an der richtigen Stelle abgeholt. Ganz wichtig ist, kein ungutes Gefühl beim Anderen zu hinterlassen. Wenn der Beschäftigte aus dem Gespräch geht mit einer neuen Idee, die er umsetzen darf, dann fühlt sich dieser wohl und geht gestärkt aus dem Gespräch.

Wichtig ist hier ebenfalls, dem Angestellten immer eine offene Tür für Rücksprachen zum Projektverlauf oder bei Fragen offen zu lassen. Am besten fragt die Führungskraft ab und an nach, ob Sie ihm helfen kann. Der Mitarbeitende merkt, dass hier das gemeinsame Ziel der Fokus ist und in ihn investiert wird.

Karriere NOW: Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten „Worthülsen“ im Führungsalltag – und wie lassen sich diese durch echte, verbindliche Aussagen ersetzen?

Dorothee Haag: Die meisten Worthülsen sind, „Wir müssen erst abwarten, bis die Entscheidung von oben gefällt wird.“; „Ich kann und möchte dazu nichts sagen“; „Ich muss mir erst klar werden, was du eigentlich willst.“

In allen diesen Worthülsen schwingt immer eine gewisse Unsicherheit und Unausgewogenheit der Führungskraft mit. Dies führt meist zu Stagnation und Desinteresse. Besser ist, zu sagen: „Lass uns einen gemeinsamen Projektplan machen, und diesen gemeinsam der Geschäftsführung präsentieren, dann können wir hier unterstützend bei der Entscheidungsfindung mitarbeiten und sind in der Umsetzung später besser aufgestellt.“

Zur zweiten Worthülse oder Satz empfehle ich immer, jeweils darauf zu reagieren, je
nachdem in welchem Zusammenhang dieser Satz fällt; zu sagen „Interessante Frage, auf die ich im Moment nicht eingehen kann, ich werde diese gerne hinterfragen bei der Geschäftsführung.“ Oder: „Interessant, dass du das so siehst, wie kommst du auf diese Frage oder was ist der Treiber dafür?“Zum dritten Satz, bitte immer die Rückfrage klar formulieren: „Was möchtest du denn gerne bewegen und wie kann ich dich dabei unterstützen? Was wäre ein Mittelweg für dich, wenn ich das nicht genehmigt bekomme bei der Geschäftsführung, damit wir gemeinsam weiterhin gut zusammenarbeiten können.“ Oder: „Wäre eine Weiterbildung auf dem Weg zu deinem Wunschziel eine Idee für alle Beteiligten?“

Karriere NOW: Wie können Führungskräfte mit Abwehrreaktionen umgehen, wenn Mitarbeiter auf Klartext empfindlich oder defensiv reagieren?

Dorothee Haag: Ich empfehle immer, dem Mitarbeitenden klar zu kommunizieren, dass man es ehrlich mit ihm meint und man ihn nicht anlügen möchte und man weiß, dass dies diese Reaktion hervorruft. Man damit umzugehen weiß und man dennoch hofft, mit ihm gemeinsam gut zusammenzuarbeiten, da man seine Arbeit wertschätzt und man als Führungskraft auch nur ein Mensch ist und ebenfalls nicht alles bekommt, wie man es sich wünscht.

Es gibt Prozesse und Abläufe, sei es wirtschaftlicher oder politischer Natur, die diverse Dinge verhindern bei der Geschäftsführung. Wichtig ist hier zu sagen: „Lass uns in kleinen Schritten vorangehen und dann erreichen wir gemeinsam, wenn nicht gleich und sofort das Perfekte oder Gewünschte, jedoch der gemeinsame Weg ist das Ziel und damit kann ich als Führungskraft leben.“

Karriere NOW: Welche Rolle spielt Empathie in der klaren Kommunikation – und wie lässt sich der Spagat zwischen Direktheit und Menschlichkeit meistern?

Dorothee Haag: Empathie ist eine sehr wichtige Eigenschaft gerade in der Führung. Sie bringt die Fähigkeit mit sich in den anderen eindenken zu können. Das heißt in das, was der Mitarbeitende im Gespräch letzten Endes sagt. Hierbei ist es wichtig zwischen den „Zeilen“ lesen zu können und aus einem Gespräch einen offenen und fördernden Austausch hinzubekommen. Ohne Empathie ist das Gespräch nach wenigen Minuten „verpufft“.

Karriere NOW: Welche Schritte empfehlen Sie, damit klare Kommunikation langfristig in Teams und Organisationen verankert wird?

Dorothee Haag: Ein ganz wichtiger Hauptschritt ist zunächst – bringe dich selbst in einen guten Zustand! Hier gibt es etliche Möglichkeiten wie Atemtechniken, Yoga, Tee oder Schokolade und bitte nie hungrig sein, denn dann sind wir nicht mehr aktiv beim Anderen! Es gibt noch unzählige andere Dinge sich in einen guten Zustand zu bringen. Heißt: Wenn du dich selbst nicht in einem guten Zustand befindest, stört das massiv das Gespräch.

Ein weiterer ganz wichtiger Punkt ist, kommuniziere klar und verständlich! Bitte nicht in verschachtelten Sätzen, das verwirrt nur und irgendwann weiß der andere nicht mehr, was am Anfang gesprochen wurde. Dies hat etwas damit zu tun, dass je klarer die Sätze sind, mehr Glaubhaftigkeit und Wahrheit transportiert werden! Bitte niemals unklare Sätze in den Raum stellen, wie in etwa: „Ich habe gehört dass…“. Dies lenkt ab und der andere fängt an, aus dem Gespräch zu gleiten. Bleiben Sie immer bei den Fakten und dem Zustand, wie mit Ihnen selbst in einem Gespräch umgegangen werden soll und was Sie sich selbst vom Gegenüber wünschen!

„Zuhören“ und den anderen ausreden lassen. Damit ist gemeint, eine Atmosphäre zu schaffen, in der andere sich wohlfühlen. Das heißt keine Ablenkungen! Sämtliche Störfaktoren (Handy weglegen und lautlos schalten, Sekretärin und Kollegen informieren hinsichtlich eines wichtigen Termins etc.; Termine im Kalender blocken und sich auf das Gespräch vorbereiten).


Mit dem Hinweis, sich auf das Gespräch vorzubereiten, ist gemeint, dass ein Mitarbeitender merkt – ob das Gespräch wahrgenommen wird und ob sich derjenige Gedanken gemacht hat. Nichts ist schädlicher in der Kommunikation. Denn das wird vom anderen als „nicht Ernst“ genommen, obwohl das nicht unbedingt der Fall ist.

Notizen machen – wenn Sie mitschreiben, dann bitte so, dass der andere lesen kann, was geschrieben wird. Gerade in kniffligen Fällen ist das sogar sehr hilfreich, um den anderen auf der visuellen Ebene abzuholen. Heißt wenn Projekte dargestellt werden sollen im Ablauf oder ähnlichem dann bitte gerne dies zu Papier bringen und immer Rückfragen, ob es verstanden wurde von dem Gesprächspartner. So entsteht eine gemeinsame Ebene– die nicht nur gesprochen ist, sondern auch zu Papier gebracht wurde. Und es verstärkt die Ernsthaftigkeit des Gesprächs. Nachfragen, ob der andere das als Notiz benötigt oder es in einem gemeinsamen Ordner geteilt werden soll!

Guten Abschluss des Gespräches einläuten und fragen, ob der Beschäftigte sich damit wohlfühlt und ob er noch was braucht. Und wichtig: Immer eine offene Tür anbieten. Am besten jedoch dem Mitarbeitenden anbieten, auf weitere Gespräche zurückgreifen zu dürfen – wo sie sich in diesem Rahmen wiederfinden.

Porträtfoto von der Journalistin Carolin Fischer

Carolin Fischer ist Gründerin des Online-Magazins Karriere NOW, selbstständige Journalistin und spezialisiert auf die Themen Karriere, Softskills, Selbstmanagement und Business. Zuvor hat die Kommunikationsexpertin bei der Süddeutschen Zeitung in München gearbeitet und für ein Politmagazin des ZDFs.

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