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Interim Manager Hartwig Görtler: „Zunächst muss eine Führungskraft lernen, sich selbst zu vertrauen“

Hartwig Görtler ist Executive Interim Manager. Als Experte für Transformation, Neuausrichtung oder Restrukturierung bei mittelständischen Unternehmen weiß er, wie Führung „funktionieren“ sollte. Das Delegieren sollten Führungskräfte sich rechtzeitig aneignen, sonst bekämen sie auf Dauer Probleme mit dem Team.

Karriere NOW: Herr Görtler, Sie sind Executive Interim Manager und betreiben die Webseite campsis-consulting.de. Warum tun sich viele Führungskräfte schwer damit, Verantwortung abzugeben – trotz guter Absichten?

Hartwig Görtler: Das nicht abgeben von Verantwortung liegt oft an einer von zwei Gründen: Der Angst, Kontrolle und Übersicht zu verlieren oder daran, dass man es seinem Team nicht zutraut, die Aufgabe zu erledigen. An beiden Dingen muss man als Führungskraft aktiv arbeiten: Ich muss dafür sorgen, dass ich ein Top Team aufbaue, eben damit es Aufgaben übernehmen und erfolgreich erledigen kann. Und natürlich an mir selbst, denn Ängste zeugen von eigener Unsicherheit.

Karriere NOW: Gibt es typische Denkfehler oder Glaubenssätze, die das Delegieren behindern?

Hartwig Görtler: Der Fehler liegt in der Logik. Eine Führungskraft soll führen! Beim „Manager“ wird das ganze noch deutlicher. Er soll, wie der Name schon sagt, managen. Der „Manager“ leitet sich vom Lateinischen „manus agere“ ab: An der Hand führen, das heißt anleiten, helfen, unterstützen – aber eben nicht alles selber machen.

Karriere NOW: Welche negativen Folgen kann es haben, wenn Führungskräfte Aufgaben nicht loslassen? Für sie selbst – und für ihr Team?

Hartwig Görtler: Es werden über kurz oder lang zwei Effekte auftreten: Die Teammotivation, der Teamspirit werden deutlich leiden und das Vertrauen in die Führungskraft bekommt Risse, denn niemand möchte dauerhaft eng geführt und notorisch kontrolliert werden. Die Führungsperson kommt ebenfalls früher oder später an seine Grenzen, weil der eigene Workload und damit die Komplexität der eigenen To Does steigt.

Karriere NOW: Was unterscheidet aus Ihrer Sicht kontrollierendes Mikromanagement von echter Führungskompetenz?

Hartwig Görtler: Führen bedeutet klar zu formulieren, wer, was, bis wann und wozu erledigen soll – aber nicht das wie. Einfach gesagt gibt es ein Ziel und eine linke und rechte Grenze – danach wird nur noch an zu besprochenen Zeiten der Fortschritt geprüft und Steine aus dem Weg geräumt. Das ist der entschiedene Unterscheid zu jeder Form von Micromanagement.

Karriere NOW: Wie kann eine Führungskraft lernen, Vertrauen zu entwickeln und Kontrolle bewusst abzugeben – ohne dabei die Zügel komplett aus der Hand zu verlieren?

Hartwig Görtler: Zunächst muss eine Führungskraft lernen, sich selbst zu vertrauen. Sie muss wissen, was sie kann und was nicht – und niemand kann oder muss alles können oder wissen. Sie muss sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst werden und ein Team, eine Struktur schaffen, dass eventuelle Lücken füllt. Danach ist es immer ein stückweit ein Sprung ins kalte Wasser: Man muss Aufgaben delegieren. Vielleicht sollte man nicht gleich mit den ganz großen und komplexen  Aufgaben beginnen, aber man muss anfangen –  Zug um Zug, vom Kleinen zum Großen. Wer das nicht kann, kann auch nicht Führen.

Karriere NOW: In vielen Unternehmen hängt Verantwortung noch stark an der Hierarchie. Wie lässt sich eine Kultur fördern, in der stattdessen Kompetenz und Eigenverantwortung im Mittelpunkt stehen?

Hartwig Görtler: Zunächst Mal sind Hierarchie und Eigenverantwortung kein Widerspruch zueinander. Im Gegenteil, ab einer gewissen Unternehmensgröße muss man Hierarchien, Prozesse und Abläufe definieren – einfach, weil nicht mehr jeder alles machen und wissen kann. Prozesse und Abläufe führen zu einer Hierarchie – egal ob horizontal oder vertikal. Eine eigenverantwortliche Kultur fördert man am besten von oben nach unten: Es muss von oben vorgelebt werden.

Karriere NOW: Was raten Sie jungen Führungskräften, die gerade erst lernen müssen, Verantwortung zu teilen und sich selbst ein Stück zurückzunehmen?

Hartwig Görtler: Das sind ziemlich genau drei Dinge, die meinem jungen Ich geholfen hätten: Ihr kommt frisch von der Uni oder habt gerade die Ausbildung abgeschlossen, seid voller Wissen und Tatendrang. Akzeptiert, dass ihr vieles noch nicht wisst und gar nicht wissen könnt. Anerkennt, dass es einen Unterscheid zwischen Theorie und Praxis gibt. „Die da oben“ sind nicht alle alt und verkrustet. Es hat meistens einen Grund, weshalb sie es dorthin geschafft haben. Wenn ihr nicht versteht, warum etwas passiert oder ihr es anders seht, geht nicht in die Konfrontation, sondern fragt nach, lasst es euch erklären.

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Und ihr müsst die Karriereleiter nicht über Nacht erklimmen. Auf lange Sicht ist es nicht das erlernte oder studierte Wissen, dass euch weiter bringt – das funktioniert erst, wenn auch die nötige Erfahrung mit ihren Erfolgen und (noch wichtiger) den Misserfolgen, dem Scheitern dazu kommt.

Bildrechte: Hartwig Görtler/Foto: Bernd Opiz

Porträtfoto von der Journalistin Carolin Fischer

Carolin Fischer ist Gründerin des Online-Magazins Karriere NOW, selbstständige Journalistin und spezialisiert auf die Themen Karriere, Softskills, Selbstmanagement und Business. Zuvor hat die Kommunikationsexpertin bei der Süddeutschen Zeitung in München gearbeitet und für ein Politmagazin des ZDFs.

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