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CEO Lars Thiele: „Nicht die Mitarbeitenden sind das Problem – sondern oft die Struktur“

Ein Gespräch mit Lars Thiele, dem Geschäftsführer des Beratungsunternehmens der EMENDO Leadership Consultants GmbH über Low Performer im Team. Diese seien oft in einer Rolle, die sie nicht fordert und man müsse als Führungskraft auf die Zwischentöne hören, die Kommunikation mit dem Mitarbeitenden suchen und gemeinsam neue Ziele definieren.   

Karriere NOW: Herr Thiele, Sie sind Geschäftsführer der EMENDO Leadership Consultants GmbH. Sie beraten mittelständische Unternehmen zu Themen wie Führung, Vertrieb und Verhandlung. Viele Führungskräfte stehen früher oder später vor der Herausforderung, mit Low Performern im Team umzugehen. Woran erkennen Sie, ob es sich tatsächlich um eine nachhaltige Leistungsschwäche handelt – oder nur um ein temporäres Tief? 

Lars Thiele: Die große Gefahr liegt darin, zu schnell zu urteilen. Wenn jemand stiller wird, weniger einbringt oder sich zurückzieht, heißt das nicht automatisch, dass die Person nicht will – vielleicht kann sie einfach nichts mehr beitragen, was sie wirklich fordert oder weiterbringt. Was wir in der Praxis sehen: Es sind oft nicht die Menschen, die schwach sind, sondern die Aufgaben, die stumpf geworden sind. Und dann wirkt jemand plötzlich wie ein „Low Performer“, obwohl er oder sie schlicht nicht mehr gebraucht wird – zumindest nicht in der aktuellen Rolle. 

Karriere NOW: Warum ist es aus Ihrer Sicht ein Fehler, bei Leistungsschwächen vorschnell an eine Trennung zu denken? 

Lars Thiele: Weil damit eine riesige Chance verspielt wird. Ich sag’s mal zugespitzt: Low Performer sind oft keine Startbedingung – sondern ein Ergebnis. Durch Strukturen, die Menschen in Routine ersticken lassen. Wer nur das Symptom sieht – schwache Leistung – ohne den Kontext zu hinterfragen, schneidet sich ins eigene Fleisch. Das ist weder wirtschaftlich noch menschlich klug. Führung sollte sich zuerst fragen: Habe ich alles getan, um Leistung überhaupt zu ermöglichen? 

Karriere NOW: Was sind häufige Ursachen für anhaltend schwache Leistungen – und wie können Führungskräfte diese frühzeitig erkennen und konstruktiv ansprechen? 

Lars Thiele: Leistungsschwäche fällt selten vom Himmel – sie entsteht über Zeit. Und zwar oft dort, wo Menschen dauerhaft das Gefühl haben, nichts Sinnvolles beitragen zu können. Das kann mit fehlender Passung zwischen Aufgabe und Kompetenz zu tun haben, mit mangelnder Perspektive oder auch mit einem Führungsstil, der nur abfragt, aber nichts zurückspiegelt. Führungskräfte müssen deshalb lernen, Zwischentöne zu hören: Wenn jemand sich zurückzieht, zynisch wird oder nur noch Dienst nach Vorschrift macht, ist das kein „schlechter Mitarbeitender“, sondern ein Mensch, dem Resonanz fehlt. Wer dann nur auf KPIs schaut, sieht nur die Spitze des Eisbergs. Es braucht den Mut, solche Situationen aktiv anzusprechen – offen, empathisch und lösungsorientiert. 

Karriere NOW: Welche Rolle spielt professionelles Führungskräftetraining im Umgang mit schwierigen Leistungssituationen? 

Lars Thiele: Eine zentrale. Man kann nicht voraussetzen, dass Menschen führen können, nur weil sie befördert wurden. In unseren Programmen geht es deshalb nicht nur um Tools – sondern um Haltung. Die Frage ist: Wie sehe ich Leistung? Wie erkenne ich Potenzial? Und wie gehe ich mit Unzufriedenheit um – nicht als Ärgernis, sondern als Hinweis auf ein strukturelles Thema? Wer das versteht, wird auch anders führen. 

Karriere NOW: Wie gelingt es Führungskräften, die Potenziale von Low Performern zu erkennen und gezielt zu fördern – ohne dabei das restliche Team zu demotivieren? 

Lars Thiele: Indem man offen und ehrlich kommuniziert: Jeder hat Phasen, in denen es nicht läuft – aber Entwicklung ist kein Exklusivrecht. Die Botschaft muss sein: Wir sehen dich. Und wir investieren in dich, weil wir an dein Potenzial glauben – nicht, weil du gerade „schwach“ bist. Das schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist der Boden, auf dem Leistung wieder wachsen kann. 

Karriere NOW: Welche Rolle spielen Wertschätzung, Kommunikation und klare Zielvereinbarungen im Umgang mit leistungsschwachen Mitarbeitenden?

Lars Thiele: Eine größere, als man denkt. Wertschätzung ist kein weiches Thema, sondern ein harter Faktor für Leistungsfähigkeit. Wer nicht gesehen oder gehört wird, verliert den inneren Antrieb – ganz egal, wie kompetent er ist. Klare Kommunikation schafft Sicherheit, gerade in schwierigen Phasen. Und Zielvereinbarungen sind dann wirksam, wenn sie nicht nur Druck erzeugen, sondern Orientierung geben. Es geht darum, gemeinsam ein Ziel zu definieren, das erreichbar ist – und dabei gleichzeitig Vertrauen zu signalisieren: Ich traue dir das zu. Dieses Zusammenspiel wirkt oft mehr als jedes Motivationstool.

Aber klar ist auch: Nicht jede vermeintlich schwache Leistung lässt sich durch Struktur oder Kommunikation auffangen. Es gibt Fälle, in denen Menschen schlicht nicht auf dem passenden Platz sitzen – dann ist es Führung, das klar zu erkennen und konsequent zu reagieren. Nicht im Sinne von Abgrenzung, sondern im Sinne von Neuausrichtung: Passt diese Rolle wirklich noch zur Person – oder braucht es eine Veränderung, um beiden Seiten gerecht zu werden? 

Karriere NOW: Welche konkreten Ansätze oder Formate bieten Sie mit EMENDO an, um Führungskräfte im professionellen Umgang mit Leistungsschwächen gezielt zu unterstützen und nachhaltige Entwicklung im Team zu fördern? 

Lars Thiele: Wir bieten Programme, die Haltung, Struktur und Handlung in Einklang bringen. Es geht um mehr als Führungstools – es geht um die Frage: Was für ein Arbeitsumfeld will ich schaffen? Wir arbeiten mit Potenzialanalysen, Peer-Coachings, individuellen Sparrings und klaren Strategien für dynamische Aufgabenverteilung. Führung ist kein Selbstzweck – sie ist der Rahmen, in dem Leistung entsteht. Wenn der Rahmen passt, passt meist auch das Ergebnis. Und genau dafür muss Führung den Mut haben, hinzuschauen – bevor Leistung überhaupt messbar wird.

Porträtfoto von der Journalistin Carolin Fischer

Carolin Fischer ist Gründerin des Online-Magazins Karriere NOW, selbstständige Journalistin und spezialisiert auf die Themen Karriere, Softskills, Selbstmanagement und Business. Zuvor hat die Kommunikationsexpertin bei der Süddeutschen Zeitung in München gearbeitet und für ein Politmagazin des ZDFs.

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