Sie wissen genau, was zu tun ist – und erledigen dennoch zuerst alles andere? Dann befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Prokrastination kostet nicht nur Zeit, sondern auch Energie und Nerven. In diesem Beitrag erfahren Sie, warum so viele Menschen Aufgaben aufschieben – und wie es gelingt, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Mit Strategien, die sich in der Praxis bewährt haben.
Aufschieben ist menschlich – doch der konstruktive Umgang damit ist eine Herausforderung. Besonders im beruflichen Alltag, wenn E-Mails, Termine und Projekte sich häufen, geraten wichtige Aufgaben schnell ins Hintertreffen. Die gute Nachricht: Prokrastination ist kein Zeichen von Faulheit. Häufig steckt dahinter Überforderung, Perfektionismus oder fehlende Motivation. Und genau an diesem Punkt setzt dieser Beitrag an.
Was genau ist eigentlich Prokrastination?
Prokrastination bedeutet mehr als nur Aufschieben. Es ist das bewusste oder unbewusste Hinauszögern von Aufgaben – oft bis kurz vor knapp oder sogar darüber hinaus. Wer prokrastiniert, weiß in der Regel ganz genau, was zu tun wäre – entscheidet sich aber trotzdem für alles andere. Und zwar nicht, weil man faul ist, sondern weil die Aufgabe Unbehagen auslöst: sie wirkt zu groß, zu schwer, zu unangenehm oder schlicht zu langweilig.
Typisch ist: Statt sich an den längst überfälligen Bericht zu setzen oder endlich das schwierige Gespräch mit dem Kollegen zu führen, wird zuerst der Schreibtisch sortiert, die Küche aufgeräumt oder Instagram durchgescrollt. Klingt vertraut? Damit bist du nicht allein: Studien gehen davon aus, dass 7 bis 14 Prozent der Erwachsenen regelmäßig prokrastiniert – Tendenz steigend, vor allem im digitalen Zeitalter mit seinen ständigen Ablenkungen.

Prokrastination ist nicht gleich Prokrastination: Welcher Typ sind Sie?
Nicht jeder schiebt aus denselben Gründen auf. Wer seinen eigenen „Aufschiebe-Stil“ erkennt, kann gezielter gegensteuern und passende Strategien entwickeln. Hier sind sechs typische Typen – vielleicht erkennen Sie sich in einem wieder?
1. Der Perfektionist
Er will alles fehlerfrei abliefern – und fängt deshalb erst gar nicht an. Aus Angst, den eigenen oder fremden Ansprüchen nicht gerecht zu werden, wird endlos geplant, optimiert oder vertagt. Hinter dem Verhalten steckt oft die Sorge, als unzulänglich wahrgenommen zu werden.
2. Der Träumer
Er hat große Ziele, aber keinen konkreten Umsetzungsplan. Der Einstieg fällt leicht, doch auf dem Weg verliert er sich in Ideen oder verliert den roten Faden. Was fehlt, ist nicht Motivation – sondern Struktur.
3. Der Sorgenmacher
Er denkt Risiken im Kopf mehrfach durch – bis hin zum Worst Case. Die Angst vor Fehlern, Veränderung oder Ablehnung lähmt. Lieber nichts tun, als scheitern. Der erste Schritt bleibt blockiert – aus Selbstschutz.
4. Der Widerspenstige
Er verspricht viel – sich selbst oder anderen – hält sich aber selten daran. Stattdessen liefert er überzeugende Erklärungen: „Heute passt es nicht“, „Ich brauche erst noch X“, „Ab morgen läuft’s besser.“ Dahinter steckt oft eine Mischung aus Frust, Überforderung und innerem Widerstand.
5. Der Krisenliebhaber
Er braucht den Druck der letzten Minute, um in den Arbeitsmodus zu kommen. Je näher die Deadline rückt, desto größer wird der Antrieb. Kurzfristig funktioniert das – langfristig kostet es jedoch Kraft, Gesundheit und Qualität.
6. Der Viel-zu-viel-Planer
Er übernimmt sich regelmäßig, weil er Aufwand und Umfang von Aufgaben unterschätzt. Statt klarer Prioritäten herrscht Chaos. Das Resultat: Nichts wird richtig fertig, obwohl der Tag vollgepackt war. Ursache ist nicht Faulheit – sondern fehlender Überblick.
Warum wir Aufgaben aufschieben – und was dahintersteckt
Bevor Sie beginnen, Ihr Aufschiebeverhalten in den Griff zu bekommen, lohnt sich ein ehrlicher Blick auf die Ursachen. Denn häufig steckt mehr dahinter als mangelnde Disziplin:
- Perfektionismus: Wer überzeugt ist, nur ein perfektes Ergebnis sei akzeptabel, vermeidet es oft, überhaupt anzufangen.
- Angst vor Bewertung: Die Sorge, negativ beurteilt zu werden, kann gerade bei öffentlichen oder heiklen Aufgaben lähmen.
- Selbstzweifel: Wer an den eigenen Fähigkeiten zweifelt, meidet Herausforderungen – und neigt zum Aufschieben.
- Fehlende Planung: Wer kein klares Ziel oder keine Struktur hat, verliert sich leicht im Kleinteiligen und verliert den Fokus.
Viele Prokrastinierende sind keineswegs faul – im Gegenteil: Sie sind häufig sehr aktiv, aber auf Nebenschauplätzen. Statt das Angebot zu schreiben, wird der Schreibtisch aufgeräumt oder die Ablage sortiert. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Wie sich Prokrastination bemerkbar macht
Prokrastination hat typische Anzeichen – einige davon treten besonders häufig auf:
- Ablenkung durch Nebentätigkeiten: Sie wechseln ohne erkennbaren Grund von einer wichtigen Aufgabe zu einer unwichtigen.
- Zu lange Arbeitseinheiten: Sie arbeiten übermäßig lange an einer Aufgabe, ohne Pause, aber auch ohne echten Fortschritt.
- Verzettelung und Detailverliebtheit: Sie hängen sich an Nebensächlichkeiten auf – und das eigentliche Ziel bleibt liegen.
- Stressgefühl trotz Beschäftigung: Sie fühlen sich am Ende des Tages erschöpft, obwohl Sie kaum Wesentliches erledigt haben.
10 Strategien gegen das Aufschieben
Im Folgenden finden Sie praxiserprobte Tipps, um dem Kreislauf des Aufschiebens zu entkommen – ob im Angestelltenverhältnis, im Homeoffice oder als Selbstständige:r.
1. Beginnen Sie mit der unangenehmsten Aufgabe
Starten Sie den Tag mit dem, worauf Sie am wenigsten Lust haben. In den Morgenstunden sind Konzentration und Energie meist am höchsten – nutzen Sie diesen Schwung.
2. Setzen Sie auf kleinste Schritte
Statt gleich das große Projekt anzugehen, nehmen Sie sich den allerkleinsten Schritt vor: Öffnen Sie die Datei, lesen Sie die ersten Zeilen. Der Rest folgt oft von selbst.
3. Belohnen Sie sich
Ob ein Kaffee, ein kurzer Spaziergang oder ein freier Abend – eine kleine Belohnung nach erledigter Aufgabe kann Wunder wirken.
4. Arbeiten Sie mit eigenen Deadlines
Setzen Sie sich konkrete Fristen – und kommunizieren Sie diese nach außen, etwa im Team. So steigt die Verbindlichkeit.
5. Nutzen Sie Zeitblöcke mit Timer
Arbeiten Sie in klar abgegrenzten Einheiten, z. B. 25 Minuten konzentriert, gefolgt von 5 Minuten Pause (Pomodoro-Technik). So entsteht Struktur ohne Überforderung.
6. Machen Sie es sich emotional leichter
Stellen Sie sich vor, wie erleichtert Sie sich fühlen werden, wenn die Aufgabe erledigt ist – oder welchen Nutzen sie bringt. Das motiviert mehr als die bloße Pflicht.
7. Prokrastinieren Sie produktiv
Wenn Sie schon aufschieben, dann sinnvoll: Sortieren Sie Ihre E-Mails, bringen Sie Ordnung ins Büro, vereinbaren Sie wichtige Termine. Danach fällt der Einstieg oft leichter.
8. Planen Sie feste „Aufschiebe-Zeitfenster“
Reservieren Sie regelmäßig einen bestimmten Zeitraum, um gezielt aufgeschobene Aufgaben abzuarbeiten – ohne Ablenkung, aber mit Fokus.
9. Sorgen Sie für Ordnung
Ein aufgeräumter Arbeitsplatz sorgt für einen klareren Kopf. Wer Struktur um sich herum schafft, arbeitet konzentrierter.
10. Planen Sie realistisch
Legen Sie morgens eine kurze Liste mit 3 bis 5 Prioritäten an – abgestimmt auf Ihren persönlichen Rhythmus. Nicht jede:r ist morgens am leistungsfähigsten.
Fazit: Nicht perfekt – aber konsequent
Prokrastination ist menschlich. Wichtig ist, wie Sie damit umgehen. Mit etwas Selbstreflexion, realistischen Zielen und der richtigen Portion Struktur lässt sich das Aufschieben in den Griff bekommen. Nicht jeder Tag muss produktiv sein – aber jeder Tag kann ein kleiner Schritt sein, um wieder ins Tun zu kommen.
Literatur & Weblinks
Barthel, Sven O.: Das Prokrastinator Handbuch. 17 sichere und einfache Methoden gegen chronisches Aufschieben. Independently published. 09. 07. 2022. ISBN 979-8843997225
Höcker, Anna, Engberding, Margarita, Margraf, Jürgen. Prokrastination. Ein Manual zur Behandlung des pathologischen Aufschiebens (Therapeutische Praxis). Hogrefe Verlag, Göttingen 2017. ISBN 978-3-8017-2842-7
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