Softskills + Selbstmanagement

Das Phänomen Perfektionismus: Verstehen, Diagnostizieren und Bewältigen

In unserem Fachartikel beleuchten wir das Phänomen Perfektionismus. Erfahren Sie mehr über seine Definition, Auswirkungen und wie man effektiv damit umgeht. Perfektionismus – Segen oder Fluch? Sie entscheiden!

Das Wichtigste auf einen Blick

  1. Perfektionismus wird definiert als Streben nach hohen Zielen und fehlerfreier Ausführung, gepaart mit großer Angst vor Fehlern und Misserfolg.
  2. Es gibt funktionalen (gesunden) und dysfunktionalen (ungesunden) Perfektionismus. Funktionale Perfektionisten können mit Nichterreichen von Zielen umgehen, während dysfunktionale Perfektionisten dazu neigen, sich auf die Schwierigkeiten ihrer Leistung zu konzentrieren und Angst vor Fehlern haben.
  3. Perfektionismus kann zu 50% genetisch bedingt sein, kann aber auch durch äußere Einflüsse, wie hohe Ansprüche der Eltern oder mangelnde Strukturen zu Hause, verursacht werden.
  4. Die Folgen von Perfektionismus können sein: Burn-out, Depression, soziale Ängste, Magersucht bei Frauen, Trainingsabhängigkeit bei Männern und das Gefühl, in einem Hamsterrad gefangen zu sein.
  5. Um mit Perfektionismus umzugehen, ist es wichtig, sich der Folgen bewusst zu sein, seine Grenzen wahrzunehmen, Alternativen zu definieren und zu experimentieren.

Definition von Perfektionismus

Im Bereich der Psychologie existiert keine allgemeingültige Definition, aber nahezu alle Erklärungsansätze enthalten zwei zentrale Aspekte. Einerseits legen Perfektionisten sich enorm hohe Ziele und Standards zu Grunde, sie streben danach, alles so gut wie möglich auszuführen – sie zielen auf die Perfektion ab. Andererseits, ein Aspekt, der oft im alltäglichen Gebrauch übersehen wird, gehört auch zum Perfektionismus: Das Streben nach makelloser Ausführung. Personen mit perfektionistischen Tendenzen glauben oft, dass Fehler und Misserfolg Hand in Hand gehen. Daher haben sie oft eine intensive Furcht davor, etwas falsch zu machen und möchten Fehler absolut vermeiden.

Arten des Perfektionsmus

Generell ist Perfektionismus notwendig, wenn er nicht übertrieben ist. Würde beispielsweise ein nicht perfektionistischer Ingenieuer eine Bremse für ein Auto entwickeln, die nicht richtig funktioniert, hätte dies juristische Folgen für ihn und seine Abteilung. Daher ist es wichtig, eine Unterscheidung innerhalb des Konzepts des Perfektionismus zu treffen: Man kann zwischen funktionalem und dysfunktionalem Perfektionismus differenzieren:

1. Funktionaler Perfektionismus

Funktionaler Perfektionismus ist typisch für Menschen, die stets ihr Bestes geben und auf hohe Leistung fixiert sind. Wenn sie jedoch ihr Ziel nicht vollständig erreichen, können sie dies akzeptieren und lassen sich nicht von negativen Gefühlen oder übermäßigem Nachdenken über den vermeintlichen Misserfolg vereinnahmen. Erfolgreichen Leistungen begegnen sie mit Freude und Stolz.

2. Dysfunktionaler Perfektionismus

Dysfunktionaler Perfektionismus andererseits zeichnet sich durch eine übermäßige Sorge um Perfektion aus. Wenn diese Menschen ihr hochgestecktes Ziel nicht erreichen, tendieren sie dazu, sich nur auf die Schwierigkeiten ihrer Leistung zu konzentrieren. Sie haben Angst vor Fehlern. Ihr Selbstwertgefühl ist eng mit ihrer Leistung verbunden und sie verspüren keine bedingungslose Wertschätzung für sich selbst. Sie vermuten häufig, dass auch andere Menschen sie nur aufgrund ihrer Leistung beurteilen, und deshalb streben sie nach Spitzenleistungen, um Anerkennung zu erlangen. Zudem neigen sie dazu, ihren Selbstwert größtenteils von der Meinung anderer Menschen abhängig zu machen.

Ursachen von Perfektionismus

Zu 50% kann der Hang zum Perfektionismus genetisch bedingt sein, d.h. er ist angeboren. 1Bonelli, Raphael M.: Perfektionismus: Wenn das Soll zum Muss wird. Pattloch-Verlag, München 2014, S. 167 ff. Allerdings spielt auch eine Prägung von außen eine starke Rolle. So können Eltern, die hohe Ansprüche und wenig Zuneigung ihrem Kind geben, den Perfektionismus bei Heranwachsenden triggern. Auch Kinder, die wenig feste Strukturen Zuhause erleben, reagieren manchmal mit perfektionistischem Verhalten. Überfürsorglichkeit oder eigener Perfektionismus von Mutter und Vater können wiederum Perfektionismus bei Mädchen oder Jungen hervorrufen. Auch übermäßige schulische oder gesellschaftliche Anforderungen sind häufig die Ursachen für ein solches Verhalten sein.

Folgen des Perfektionismus

Die Folge vom Streben nach Perfektion können Burn-out, Depression oder soziale Ängste sein. Wenn jemand mit sozialen Ängsten zu kämpfen hat, hat er beispielsweise Angst vor einer Gruppe von Kollegen zu sprechen. Weitere Folgen sind zum Beispiel Magersucht bei Frauen oder Trainigsabhängigkeit bei Männern. Hierbei trainieren Männer extrem viel, ernähren sich einseitig und nehmen vielleicht noch leistungssteigernde Mittel ein.

Das eigentliche Streben nach Perfektion, etwas, besonders gut machen zu wollen (funktionaler Perfektionismus) ist als solches nicht gefährlich. Was problematisch ist, ist die Angst vor Fehlern und der richtige Umgang mit Fehlern, wenn sie passiert sind, und ein übertriebener Perfektionismus. Die Angst vor Fehlern lässt Sie verkrampfen und Sie können die einfachsten Dinge kaum ausführen, wie das Verfassen einer Email. Fehler machen ist allerdings etwas Menschliches und Perfektionisten müssen lernen, mit Ihnen umzugehen.

Oft sind es Frauen, die auch im Arbeitsleben übertriebene Anforderungen an sich stellen und extrem ehrgeizig sind. Doch das macht sie nicht erfolgreicher, sondern sie haben das Gefühl in einem Hamsterrad gefangen zu sein, ohne große Karriereschritte zu machen. Lassen sie den Perfektionismus los, werden sie authentisch und mutig.

Übungen, um mit Perfektionismus richtig umzugehen

Im Folgenden zeigen wir Ihnen einige Aspekte auf, wie Sie lernen, mit Ihrem Perfektionismus besser umzugehen. Generell gilt: Geben Sie sich Zeit mit allen Übungen. Das Gefühl, nicht mehr so perfektionistisch sein zu wollen, stellt sich erst nach einiger Zeit ein.

  1. Seien Sie sich der Folgen bewusst: Ein übermäßiger Perfektionismus kann oft negative Folgen haben. Es kann anstrengend sein und viel Zeit in Anspruch nehmen, und dazu führen, dass man unflexibel arbeitet. Man setzt sich selbst unter Druck, seinen eigenen hohen Erwartungen gerecht zu werden. Dies beeinträchtigt wiederum das eigene Selbstwertgefühl. Man konzentriert sich ständig auf Fehler und Schwächen, und verliert dabei oft die Freude an der Arbeit. Die Angst vor dem Versagen nimmt zu.
  2. Nehmen Sie Ihre Grenzen wahr: Wenn Sie sich immer überfordert fühlen, weil Sie Perfektion in Ihrer täglichen Arbeit anstreben, könnte dies bedeuten, dass Sie Ihre persönlichen Grenzen nicht genügend wahrnehmen. Es ist wichtig, diese Grenzen zu akzeptieren, um keine langfristigen psychischen Folgen zu erleiden. Sehen Sie die Akzeptanz Ihrer Grenzen nicht als Schwäche, sondern als Stärke, da Sie in der Lage sind, Ihre eigenen Signale wahrzunehmen.
  3. Definieren Sie Alternativen: Oftmals kommt der Wunsch nach Perfektion mit Versagensängsten einher. Reflektieren Sie diese Gedanken und prüfen Sie, ob sie wirklich förderlich sind. Würden Sie die gleichen Erwartungen, die Sie an sich selbst haben, auch an andere stellen? Versuchen Sie, neue Gedanken zu entwickeln – welchen Ratschlag würden Sie einem Freund geben, der sich ständig unter Druck setzt? Trainieren Sie, in dem Sie sich diese neuen Gedanken in den entsprechenden Situationen zu sich selbst sagen.
  4. Experimentieren Sie: Probieren Sie Dinge, auch im Berufsalltag, aus, in denen Sie nicht perfektionistisch handeln und schauen Sie, wie es Ihnen dabei geht. Zum Beispiel schreiben Sie ein Protokoll, für das es keine Vorgaben gibt, ausschließlich aus Stichworten. Oder formulieren Sie eine Email an einen wichtigen Kunden nicht mehrere Male um, bis Sie in Ihren Augen perfekt ist.

Tipps für perfektionistische Führungskräfte

Als Führungskraft, die einen Drang zum Perfektionismus hat, sollten Sie an sich arbeiten, um langfristig mit Ihren Mitarbeitern klar zu kommen. Denn: „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“ und Fehler sind allzu menschlich. Ein paar Tipps für perfektionistische Chefs:

  1. Seien Sie auch mal mit weniger Leistung zufrieden: Es muss nicht alles immer 100% sein, wenn Ihre Mitarbeiter beispielsweise ein Projekt abliefern – sofern es bestimmten Anforderungen entspricht. Loben sie Ihre Angestellten auch mal, ohne dass Sie große emotionale Ausbrüche haben müssen. Dadurch wertschätzen Sie nicht nur ihre Arbeit, sondern auch die Menschen dahinter.
  2. Bleiben Sie realistisch: Als Perfektionist hat man hohe Ansprüche an sich und das Team und vielleicht können Sie dieses auch zu noch mehr Leistung anspornen. Aber machen Sie stets einen Realitätscheck – fragen Sie sich: Ist das machbar, was ich von ihnen fordere?
  3. Seien Sie konsequent: Erfüllen Ihre Mitarbeiter Ihre realistischen Anforderungen nicht, sollten Sie konsequent in der Kommunikation und im Handeln sein. Ihre Mitarbeiter sollten genau wissen, was passieren könnte, wenn sie gewisse Ziele nicht erreichen.

Fazit

Perfektionismus, obwohl er sich durch das Streben nach hohen Leistungsstandards auszeichnet, ist in seinem dysfunktionalen Ausmaß oft mit negativen Konsequenzen verbunden, darunter fallen soziale Ängste, Burn-out und Depression. Darüber hinaus kann er Ursachen in genetischen Dispositionen und in der elterlichen und gesellschaftlichen Erziehung haben. Während funktionaler Perfektionismus für hohe Leistungen gebraucht wird und durch ein positives Selbstbild gekennzeichnet ist, führt dysfunktionaler Perfektionismus oft zu starker Selbstkritik und einem negativen Selbstbild. Mithilfe passender Übungen können Sie lernen, Fehler zuzulassen und auch in Führungspositionen sollte mit einem gesunden Realitätscheck die Arbeit der Mitarbeiter bewertet werden.

Literatur

  1. Altstötter-Gleich, Christine, Geisler, C.M. Fay: Perfektionismus. Mit hohen Ansprüchen selbstbestimmt Leben. BALANCE buch+medien verlag. Köln 2018.
  2. Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Psychotherapeutische Beratungsstelle), 2018: Tipps zum Umgang mit Perfektionismus.
  3. Dauth, Georg: Führen mit DISG ®- Persönlichkeitsprofil. Gabal Verlag GmbH, Offenbach 2012.
  4. Tschudi, Verena: Besser als perfekt. Verena Tschudi Coaching GmbH, Winterthur (CH) 2023.

Bildnachweis: ©Pixabay

Einzelnachweise

  • 1
    Bonelli, Raphael M.: Perfektionismus: Wenn das Soll zum Muss wird. Pattloch-Verlag, München 2014, S. 167 ff.
Porträtfoto von der Journalistin Carolin Fischer

Carolin Fischer ist Gründerin des Online-Magazins Karriere NOW, selbstständige Journalistin und spezialisiert auf die Themen Karriere, Softskills, Selbstmanagement und Business. Zuvor hat die Kommunikationsexpertin bei der Süddeutschen Zeitung in München gearbeitet und für ein Politmagazin des ZDFs.

Write A Comment

Cookie Consent mit Real Cookie Banner